Auf dem Grundstück selbst stand der 1907 gebaute, ehemalige Pferdestall der Post, der bereits 1911 zum Gesindehaus umgebaut wurde, da der Platz für die Postpferde zu eng wurde. In der Folge war es als Wohnhaus und zuletzt in den 80er Jahren durch ein großes Garagengebäude erweitert, als Autowerkstatt genutzt. In diesem desolaten Zustand kamen wir zu dem Objekt.
Nachdem wir im Vorgarten 14 Volvomotoren ausgruben, weitere Achsen, Blechteile, Auspuffanlagen, Reifen, Felgen usw. entdeckten und das bis unters Dach mit Autoteilen angesammelte Haus entrümpelt hatten, damit mehrere Container füllten und über 2 Tonnen Schrott dem hiesigen Musikverein als Spende überlassen konnten, war der Zustand des Bestandshauses als nicht verwertbar, ernüchternd. Das Ergebnis der Bestandsanalyse war Rückbau mit Teilverwertung eines Viertels der Garage und Neubau eines kleinen Wohnhauses.
Mit größter Rücksicht auf die historischen Nachbargebäude entwickelten wir auf der baurechtlich überbaubaren (Rest)-Fläche ein sehr schmales, flaches, in der Straßenflucht weit zurückliegendes Wohnhaus, mit großzügigem Vorgarten. Eine reichblühende Zierkirsche dient als Filter zwischen öffentlichem und privatem Außenraum.
Die alte Buchenhecke führt den Ankommenden zum auf der Südseite liegenden Hauseingang. Dieser ist wettergeschützt überdacht, eine Sitzbank lädt zum kurzen Verweilen ein. Flankiert wird der Weg von duftenden Lavendelstauden. Hinter dem Gebäude entsteht zwischen Haus und freistehendem Gästeapartment ein blickgeschützter Innenhof.
Die Fassaden werden entsprechend der Blickbeziehungen, den Himmelsrichtungen und den Raumnutzungen geschlossen oder offen gestaltet. Ost und West sind durch raumhohe Schiebeelemente komplett verglast, die Nordseite ist geschlossen. Richtung Süden sind zwei Drittel raumhoch verglast, jedoch durch die eng stehenden Fassadenstützen rhythmisch gegliedert.
Das Haus selbst ist als Hybrid konzipiert, d. h. ein massives Inneres aus Beton wird von einem leichten Äußeren aus Holz ummantelt. Die traditionelle Holzfassade wird zeitgemäß interpretiert und mit maximaler Zurückhaltung farbig beschichtet.
Im Inneren bleiben alle Materialen roh und unbehandelt, falls doch dann farblich entmaterialisiert. Die großen Verglasungen können mittels der hellen, raumhohen Vorhänge umlaufend geschlossen werden und verändern den Innenraum zu einem beschützenden Kokon.
Der Grundriss ist fließend, die Außenwände sind ringsum freigestellt, es entsteht trotz einer lichten Breite von nur 5,15 m räumliche Großzügigkeit und vor allem Länge.
Alle Bauteile und Oberflächen sind so angelegt, dass der Raumeindruck nicht begrenzt wird. Alle Öffnungen sind raumhoch, die Sichtbetondecke läuft durch und will kein Ende finden. Die geschlossene Nordwand ist mit sägerauer Weißtanne ganzflächig vertäfelt. Die Vertäfelung läuft bis zur rahmenlosen Oberlichtverglasung hoch. Streiflicht fällt über die haptische Holzoberfläche hinab.
Im ganzen Haus ist ein roher Dielenboden ebenfalls aus Weißtanne verlegt, dieser zieht alle Bereiche zu einem Ganzen zusammen. Das Bad mit seinen Sichtbetonwänden und Naturschieferbekleidungen wirkt durch das zentral angeordnete Oberlicht wie eine wundersame Grotte.
Alle auf Maß angefertigten Möbel unterliegen den gleichen Entwurfsgedanken mit gleicher Materialität, gleichen Oberflächen und Detailausbildungen. Diese Homogenität in Verbindung mit Präzision und gleichzeitiger ruppigen Rauigkeit, schafft ein sehr ausgeglichenes, beruhigendes Wohngefühl. Die Reduzierung auf die ureigenste Materialität, der maximal mögliche Verzicht auf Plastik, Kunststoffe, Kleber und andere synthetische Baustoffe erzeugt ein behagliches Raumklima, spürbare Reinheit mit angenehmem Geruch.