Zweiphasiger Planungswettbewerb Mühlenareal in Bad Liebenzell

Auslober / Verfahren:

Stadt Bad Liebenzell

Wettbewerbsaufgabe:

Nicht offener zweiphasiger Planungswettbewerb mit Verhandlungsverfahren nach RPW 2013 und § 17 VgV
Realisierungswettbewerb „Mühlenareal"

Konzept:

Zielsetzung
Behutsam ergänzen, ausgewogen vermitteln, Qualitäten hervorheben, Topografie nutzen. Das brachliegende Mühlenareal ist Teil des Stadtkerns von Bad Liebenzell. Durch die Neugestaltung soll das Areal wieder als Teil der Kernstadt erfahrbar und die Innenstadt in ihrer Struktur gestärkt werden. Es soll also ein Stück Stadt entstehen, auf dem neuer innerstädtischer Wohnraum zur weiteren Belebung der Kernstadt beiträgt und dringend benötigter Parkraum integriert wird, ohne das kleinteilige Ortsbild zu beeinträchtigen. Gleichzeitig soll die neue Bebauung den ortsbildprägenden, exponierten Kirchhang der St. Blasius Kirche in Szene setzen und Blickbeziehungen aus dem Stadtraum zur Kirche ermöglichen. Der freizulegende Lengenbach am Fuß des Kirchhanges bietet in Verbindung mit dem Kirchberg Potential für qualitätvolle wohnungsbezogene Freiräume und eine neue landschaftlich attraktive Verbindung für die Öffentlichkeit zwischen der Ober- und der Unterstadt. Auf dem Mühlenareal der Stadt Liebenzell wird in zentraler Lage eine differenzierte städtebauliche Struktur ergänzt und ortsbildprägende landschaftliche Elemente werden hervorgestellt. Das Areal vermittelt zwischen der qualitätvollen Wohnsituation, dem Angebot an Stellplätzen und dem exponierten, freistehenden Kirchhang der St. Blasius Kirche mit dem Verlauf des Lengenbaches an dessen Fuß.

Bebauung
Behutsam wird eine kleinteilige, städtebauliche Struktur ergänzt und ortsbildprägende landschaftliche Elemente herausgearbeitet. Abgeleitet aus der Baustruktur im Umfeld des Plangebiets wird die neue Wohnbebauung in maßstäblichen Einzelgebäuden mit ortstypischen Dachformen organisiert. Die Einzelgebäude besetzen in giebelständiger Bauweise und auf die Topografie abgestimmter Ausrichtung die Lücken an der Wilhelmstraße und der Hugo-Mäulen-Straße. Bei der Gebäudestellung werden sowohl bei der Wilhelmstraße als auch bei der Hugo-Mäulen-Straße Durchblicke vom Straßenraum zum Kirchhang berücksichtigt. Die Geschossigkeit der Baukörper variiert je nach städtebaulicher Situation zwischen zwei und vier Geschossen. Die klar gegliederte Kleinteiligkeit der Gebäudekörper entspricht der innerörtlichen städtebaulichen Struktur. Die Raumkante entlang der Wilhelmstraße wird geschlossen und entlang der Hugo-Mäulen-Straße durch einen Baukörper ergänzt. Zwei Baukörper, auf einer dreigeschossigen Parkgarage positioniert und mittels einer Fuge vom Bestandsgebäude Wilhelmstraße Nr. 25 (Brandwand) abgesetzt, schaffen hier eine autarke, höhengestufte Bebauung. Sie führt das Stadtgefüge an der Brandwand in einer angemessenen Maßstäblichkeit fort und verdeckt gleichzeitig die Bausünde. Das Bestandsgebäude Nr. 12 Hugo-Mäulen-Straße bleibt erhalten und soll saniert werden.

Ruhender Verkehr
Das Plangebiet ist weitgehend autofrei organisiert, die notwendige öffentliche und private Parkierung ist im Wesentlichen in Garagen untergebracht, die in das Gelände eingepasst sind bzw. den Geländeverlauf neu modellieren, aber nicht als eigenständiges Gebäude in Erscheinung treten. Wichtigster Bestandteil des Parkierungskonzeptes ist dabei eine dreigeschossige, im Höhenverlauf abgestufte Parkgarage, die unter den Gebäuden A+B liegt. Die Tiefgarage staffelt sich im Hang in der Art ab, dass das Gelände und der Bach einen natürlichen Verlauf nehmen. In dieser Tiefgarage sind öffentliche und private Stellplätze verortet. In die Parkebene 1 wird ebenerdig ohne Rampe von der Wilhelmstraße eingefahren. Die Parkebenen 2+3 werden von der Hugo-Mäulenstraße erschlossen, wobei in die Parkebene 3 ebenso ebenerdig ohne Rampe eingefahren wird, nur die Parkebene 2 wird mit einer nach unten führenden Rampe erreicht. Ergänzt wird das Angebot durch private Garagenstellplätze im Sockelgeschoss des Gebäudes D für die Wohnungen der Gebäude C+D+E.

Bestand, Landschaft, Wege, Aufenthalt
Mit der Freihaltung des Kirchhanges und der Freilegung des Lengenbaches werden freiraumprägende Strukturen hervorgehoben und der Ortscharakteristik entsprechend im Mühlenareal dargestellt. Historische Elemente wie die historische Stützmauer, das „alte Mühlengässle" am Hangfuß und das alte Pumpenhäuschen werden aufgegriffen und weiterentwickelt. Den Auftakt der innerörtlichen Wegeverbindung von der Ober- zur Unterstadt bildet die kleine Platzsituation an der Hugo-Mäulen-Straße, anknüpfend an die fußläufige Begleitung des Lengenbaches mit kleinem Platz und dem Mühlengässle bis zur Wilhelmstraße. Die Freiraumstruktur wird durch qualitätvolle kleine Aufenthaltsbereiche mit ökologischer Wertigkeit am Lengenbach und dem Kirchhang ergänzt. Der Lengenbach wird über die Parkgarage geführt, im Platzbereich offen und urban gefasst sowie im Anschluss naturnah gestaltet. Die Sichtbarkeit und Zugänglichkeit des Lengenbaches wird durch Sitzstufen und flache Böschungsneigungen geschaffen.

Freiraum
Durch die städtbaulichen Setzungen, das Freihalten des Kirchhanges und die Öffnung des Lengenbaches werden freiraumprägende Strukturen hervorgehoben und der Ortscharakteristik entsprechend zum neuen Mühlenareal entwickelt. Historische Elemente wie das Mühlengässle, die Stützmauer am Hangfuß und das alte Lagerhäuschen werden erhalten und weiterentwickelt. Das Mühlengässle wird durch die Bebauung an der Wilhelmstraße neu gefasst. Es führt am Fuß der Kirchbergmauer entlang und weitet sich in einem kleinen Mühlenpark platzartig auf. Hier am Fuße des südexponierten Hanges wird die Gewässerdynamik durch eine Staustufe in Szene gesetzt und es entstehen besondere Orte zum Verweilen in der Innenstadt. Den Auftakt der innerörtlichen Wegeverbindung von der Ober- zur Unterstadt bilden an der Hugo-Mäulen-Straße und der Wilhelmstraße jeweils kleine Platzsituationen. Die Wegeführung zwischen Ihnen erzeugt eine Bildfolge die sowohl alltagstauglich ist, als auch Gästen die ortstypischen Qualitäten vor Augen führt. Der stetige Durchfluss des Lengenbaches erlaubt hier eine energetische Nutzung, die als weitere Attraktion ausgearbeitet werden kann. Das vorhandene in die Hangmauer gefügte Lagergebäude wird zum Standort für eine vertikale Erschließung, die das Parkierungsgeschoss an den Mühlenweg und an das obere Kirchenniveau barrierefrei anbindet. Der verdolte Lengenbach wird auf der gesamten Länge geöffnet und erlebbar gemacht. Im Bereich des Parks erlauben Trittstufen, Bänke und flache Böschungsneigungen mit Sitzsteinen ein Herantreten und Verweilen am Wasser. Zwischen Gebäude B und C, die mit Ihren Sockeln auf dem Niveau des Baches gründen, öffnet sich der Blick über den naturnahen, wilden Bach auf die Wasserkaskade am Fuße des Kirchberges. Der Kirchhang wird mit Trockenmauern und kleinen Sitznischen entlang der Wegeverbindungen gestaltet.Dieser erhält einen Querweg entlang der Kirchmauer mit südexponierten Aufenthaltsbereichen über der Stadt. In Anknüpfung an die Gärten der Pension Luise werden Gebäude D Gartenfreisitze am Kirchhang zugeordnet. Heimische Gehölze im Mühlenareal und Obstgehölze am Kirchhang entsprechen der Ortscharakteristik und werden durch Hecken- und Staudenpflanzungen ergänzt. Blühsträucher sowie Feuchtstauden am Bach und artenreiche Staudenpflanzungen im Hangbereich schaffen vielfältige Lebensräume für Insekten, Amphibien und Vögel.