Wettbewerb Schlachthofquartier Offenburg

Auslober / Verfahren:

Stadt Offenburg, Städtebaulicher Ideenwettbewerb

Visualisierung:
stuchlik3d, Pfinztal

Wettbewerbsaufgabe:

Das ehemalige Schlachthofgelände mit dem umgebenden Quartier bildet neben dem Bahnhofsareal einen der beiden Schwerpunkte der Offenburger Stadtentwicklung der nächsten Jahre.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Schlachtbetrieb am damaligen westlichen Stadtrand errichtet, in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen städtischen Gaswerk auf dem heutigen badenova-Gelände. Der Schlachthof liegt mittlerweile schon lange nicht mehr in einer Randlage, sondern in zentraler Lage nahe der historischen Altstadt und stellt somit eine störende Nutzung im städtebaulichen Umfeld dar. Die Betriebsaufgabe des Schlachthofs erfolgte zum Ende des Jahres 2019.
Die Beendigung der Schlachthofnutzung ermöglicht eine Umnutzung, die dem zentralen Standort und der sich in den letzten Jahren deutlich veränderten Umgebung im Bereich des Mühlbachareals mit einem Schwerpunkt auf Wohnnutzung und Dienstleistungen angemessen ist. Der Schwerpunkt der Gebietsentwicklung für das Schlachthofareal und angrenzende Bereiche liegt in der Schaffung eines lebendigen neuen Stadtquartiers mit kleinteiliger Mischung und enger Verzahnung von Kreativ- und Kulturwirtschaft sowie sozialen Einrichtungen und nicht störendem Gewerbe. Gleichzeitig bietet sich die Chance, das seit langem in der Stadt diskutierte und gewünschte Projekt eines Kultur- und Kreativwirtschaftszentrums (KuK) in attraktiver Lage und in den historischen Schlachthofgebäuden unterzubringen und zu etablieren.
Das städtebauliche Gesamtkonzept für das Schlachthofquartier ist aus mehreren Bausteinen zu entwickeln und soll insbesondere grundsätzliche Nutzungsverteilungen im Quartier klären, konzeptionelle Ansätze für den Umgang mit der denkmalgeschützten Bausubstanz liefern, mögliche Entwicklungsberei-che in Bauabschnitte definieren und Fragen der Erschließung bearbeiten. In einer ersten Stufe sollen nunmehr im Rahmen eines Ideenwettbewerbes die städtebaulichen Rahmenbedingen unter denen das Quartier entwickelt werden kann, geklärt werden. Der städtebauliche Ideenwettbewerb bildet die Grundlage für nachfolgende Realisierungsabschnitte, wie z. B. die Umsetzung des KuK. Der Gemeinderat hat am 07.10.2019 das vorgesehene städtebauliche Wettbewerbsverfahren sowie die dem Auslobungstext zu Grunde liegenden Rahmenbedingungen und Planungsziele zur Kenntnis genommen und am 16.12.2019 beschlossen.

Konzept:

Wettbewerbsgebiet
Wir gliedern das Wettbewerbsgebiet in einen südlichen und einen nördlichen Teil. Die Teilung erfolgt durch die neu angelegte „Badenovastraße", die direkt auf die Brücke mit Zufahrt zum Badenovagelände führt. Der südliche Teil mit dem historischen Gebäudebestand des ehemaligen Schlachthofes wird zu einem Kreativ- und Kulturzentrum entwickelt. Im nördlichen Gebiet entstehen mit einer Kita, einem Büroturm und vier Wohngebäuden Flächen zum Wohnen und Arbeiten.
Beide Teile sind als offene, frei für jedermann durchschreitbare Quartiere geplant. Im südlichen Teil ist Anliefer- und Transport- Fahrverkehr in Schrittgeschwindigkeit zwischen den Gebäuden möglich, der nördliche Teil ist autofrei.


Erschließung
Wesentlicher Eingriff in die Erschließung ist der Rückbau der Autostraße entlang des Mühlbachs zu einem Fuß- und Radweg. Durch abwechslungsreiche Attraktionen wird die südlich der Wasserstraße gelegene Uferpromenade Richtung Norden weitergeführt. Ergänzt wird dieses Konzept durch die Rad- und Fußgängerbrücke in Verlängerung der Seestraße, die die direkte Verbindung zur Altstadt schafft. Die großkronigen Bäume entlang des Wassers bleiben erhalten, um die Aufenthaltsqualität und damit den Freizeitwert zu erhöhen.
Kompensiert wird der Wegfall der Autostraße durch die Neuplanung der Straße auf der Westseite des Grundstücks. Die Straße „Im unteren Angel", wird von Norden kommend bis zur Wasserstraße durchgeführt und in diese eingeleitet.
Zur inneren Erschließung des Planungsgebietes wird an der logischen Stelle die neue „Badenovastraße" von West nach Ost bis auf das Badenovagelände geführt. Sie teilt das Planungsgebiet in einen südlichen und nördlichen Teil.
Die im Norden liegende und schon bestehende Anliegerstraße „Im unteren Angel" bleibt bestehen. Sie wird jedoch entlang des Mühlbachs nur noch nach Norden bis zur „Freiburger Straße" geführt und dort angebunden. Der nach Süden führende Teil der Straße wird ebenfalls zurück- und zum Fuß- und Radweg umgebaut.


Ruhender Verkehr
Das Herzstück für den ruhenden Verkehr bildet das am westlichen Rand des Planungsgebietes liegende Parkhaus mit angebundener Tiefgarage. Dadurch wird der Stellplatzbedarf sehr konzentriert und für alle Nutzer mit geringster Belastung, abgebildet. Die Ein- und Ausfahrten liegen im Westen, dem angrenzenden Gewerbegebiet zugeordnet, sodass das Planungsgebiet maximal von parkenden Autos und entsprechendem Lärm verschont bleibt.
Im Parkhaus befinden sich die notwendigen Badenova-Stellplätze, die von außen zugängliche Gastankstelle sowie wettergeschützte Fahrradstellplätze. Darüber hinaus sind im Parkhaus die notwendigen Stellplätze für die Gewerbeflächen des Büroturms abgebildet.
Die Stellplätze für die am nördlichen Rand angeordnete Wohnbebauung liegen in der Tiefgarage unter der Wohnbebauung. Die getrennt zur Einfahrt des Parkhauses organisierte Zufahrt zu dieser Tiefgarage liegt ebenfalls im Parkhaus, sodass keine weitere das Umfeld belastende Tiefgarageneinfahrt erforderlich wird.
Für Kurzparker, Kunden, Kinder abholende Eltern werden auf dem Planungsgebiet zusätzlich an den sich anbietenden Stellen, Senkrechtparker zwischen schattenspendenden Verkehrsbäumen angeboten.


Südliches Planungsgebiet: Kreativ- & Kulturzentrum
Im südlichen Teil liegt der Nukleus, der ehemalige Schlachthof.
Wir führen den Nukleus wieder auf den ursprünglichen Zustand zurück und entfernen die nicht den Ort prägenden Funktionsanbauten. Im Gegenzug geben wir dem Hauptgebäude durch mit respektvollem Abstand gesetzte Neubauten einen räumlichen Rahmen. Die Neubauten stehen alle in direktem Bezug zu den Bestandsgebäuden, sie sind in Lage, Höhe, Fußabdruck, und Proportion aufeinander abgestimmt. Durch die Integration der historischen Gebäude in den „neuen Rahmen" wird die Identität des Schlachthofes in jede Himmelsrichtung nach außen getragen.
Hervorzuheben ist der rahmende Neubau an der süd-östlichen Ecke des Schlachthofes. Hier wird ein 2-geschossiges Gebäude geplant, um von der Altstadt kommend die identitätsstiftende Dachsilhouette des Nukleus sichtbar zu lassen. Dieser Neubau mündet in einem viergeschossigen Hochpunkt, der sich in seiner Kubatur und Lage an dem gegenüberliegenden, ehemaligen Gasthaus „Schlachthöfle" orientiert. Durch diese beiden Gebäude wird der adressbildende Haupteingang zum Schlachthof von der Wasserstraße klar definiert.
Der großzügigen Vorfläche nach Westen angrenzend, liegt der erste der drei Themenhöfe, der „Pausenhof". Um den Platz finden sich verschiedene gastronomische Angebote, von der Kantine mit Biergarten, der Tafel, einer Kochschule bis zum feinen Restaurant „Schlachthöfle" in dem historischen Gasthausgebäude. Allen gemeinsam sind die Außenbewirtungsflächen, die sich zusammenhängend und doch klar zugeordnet auf dem Platz verteilen.
Der Werk- und Skulpturenhof kann vom Westeingang des Schlachthofes einfach erreicht werden. Dessen räumliche Fassung wird durch einen im Westen angeordneten 3-geschossigen Neubau erreicht. In diesem befinden sich kleinteilige, 2-geschossige Ateliers, mit darüber liegenden Wohnungen. Wohnen und Arbeiten in einer Einheit mit vorgelagertem Hof als Arbeits- und Ausstellungsfläche.
Am nördlichen Ende des südlichen Teils liegt zentral das ehemalige Schlachthaus, das als Maßstab für jeweils zwei links und rechts davon angeordnete Neubauten dient. In diesen fünf Gebäuden befinden sich jeweils in den Erdgeschossen großzügige, zusammenhängende Werkstattflächen auch für die bereits ortsansässigen Betriebe, das Fahrradgeschäft und das Fotoatelier. In den Obergeschossen sind loftartige Gewerbe- und Büroflächen angedacht. Zwischen diesen Gebäuden entstehen spannende Zwischenräume, die von den Werkstätten der EG's als aktive Außenflächen genutzt werden und zur Kommunikation anregen sollen.
Östlich, Richtung Mühlbach liegt der „Kulturhof", der für verschiedenste kulturelle Open-Air-Veranstaltungen zur Verfügung steht. Diesem Hof angegliedert ist das Stud, der große und kleine Konzert-, Kino-, Vortrags-, Veranstaltungssaal, sowie der Jugendclub. Im Obergeschoss des Jugendclubs befinden sich Lern- und Intensivräume. Der Kulturhof öffnet sich zum Mühlbach, der an dieser Stelle eine Terrasse erhält die über den Mühlbach hinausragt. Die „Mühlbachterrasse" dient als Osteingang zum Schlachthof und schafft für diesen den direkten Bezug zum Wasser.
Mit dem Neubau an der südöstlichen Ecke wird der Schlachthof räumlich gefasst. Hier befinden sich kleine, mit Schaufenstern zur Promenade ausgestattete Gewerbeeinheiten für Start-Up's, Kunsthandwerkstätten und Ateliers mit starkem Bezug zur Öffentlichkeit. Das über einen Laubengang erschlossene Obergeschoss verfügt über Wohneinheiten für die Nutzer des Schlachthofes.
Die drei kleinen pavillonartigen Bestandsgebäude der ehemaligen Freibank, der E-Station und der Großviehstallung werden zu Ausstellungspavillons umgenutzt. Durch die losgelösten Gebäudestellungen sind inhaltlich und zeitlich von anderen Gebäuden unabhängige Ausstellungen in den Pavillons möglich.
Im Nukleus selbst wird die große Halle frei geräumt und als zusammenhängender Raum erlebbar gemacht. Sie dient als Eingangshalle, Foyer, Verteilerfläche, Infopoint, Kombizone. Links und rechts davon befinden sich die Individualnutzungen wie die Kantine, die Veranstaltungssäle, ein Open-Space-Bereich, das Stud sowie die Räumlichkeiten des Jugendtreffs.


Nördliches Planungsgebiet: Wohnen & Arbeiten
Im nördlichen Teil sind unterschiedliche Nutzungen angeordnet, beginnend mit den vier Baukörpern mit reiner Wohnnutzung. Diese Wohnungsbauten mit ca. 50-60 Wohneinheiten sind so konzipiert, dass sie zeitlich, baulich und erschließungsunabhängig vom Schlachthof von der Wohnungswirtschaft realisiert werden können. Der Wohnkomplex liegt gegenüber dem Straßenniveau um ca. 60 cm erhöht, um das Wohnen gegenüber den anderen Nutzungen subtil abzugrenzen. Die EG-Wohnungen erfahren dadurch die erforderliche Privatheit und gleichzeitig wird die Gründung für das Unter- und Tiefgaragengeschoss entlastet.
Angrenzend an die Wohnbebauung liegt zentral die Kita mit ihrem Außenbereich, der wie die Gruppenräume nach Süden in Richtung Schlachthof ausgerichtet ist. Der Eingang liegt auf dem großen Vorplatz, der sich bis zu der Wassertribüne mit Wasserspiel erstreckt und Teil der Uferpromenade ist.
Das Gesamtareal wird an dem auch im nördlichen Planungsgebiet liegenden, 8-geschossigen Bürohochhaus in der vertikalen, weit sichtbar verortet. Der Standort ist so gewählt, dass die Alleinstellung eindeutig ist und bleibt. Das Gebäude strahlt eine hohe Attraktivität aus, liefert ein zusätzliches Angebot und stärkt damit den ganzen Standort des Schlachthofs, ohne mit dem Nukleus zu konkurrieren.
Das Parkhaus im Westen des nördlichen Planungsgebiets gelegen, blockt das Gewerbegebiet mit belastendem Durchgangsverkehr von der Kita und den weiteren Nutzungen schützend ab. Von der konzentrierten Anordnung des ruhenden Verkehrs an dieser Stelle profitiert das komplette Planungsgebiet einschließlich dem Nukleus durch autofreie Flächen.

 

Auszug aus dem Preisgerichtsprotokoll:

Die städtebauliche Grundidee, das historische Schlachthofgebäude mit neuen Bausteinen in einer Art räumlichem
Rahmen zu fassen, ihm dadurch vierseitig ein bauliches Gegenüber zu geben und spannungsvolle hofartige
Zwischenzonen auszubilden, wird grundsätzlich positiv bewertet. Dass ein Kreativquartier auch in einer
introvertierten, eingefassten Interpretation mit einem Dialog von Neu – Alt und Innen - Außen denkbar ist, wird
nachvollziehbar dargestellt. Dem historischen Schlachthofgebäude werden in respektvollem Abstand Neubauten
gegenübergestellt und stärken seine Strahlkraft. Das bauliche gegenüber zum Stud schafft einen zentralen,
mittigen Hauptzugang zum Schlachthofareal und inszeniert das Sichtbarwerden des historischen Denkmals
erst mit Betreten des inneren Hofes.
Die Einbindung der historischen Gebäude von Stud, Freibank, Pumpenhaus und Schalthaus erfolgt mittels
präziser und maßstäblicher Setzung der Neubauten selbstverständlich in das neue Ensemble. Dem Schalthaus
weitere flankierende Gebäude beizustellen, kann nachvollzogen werden, allerdings erscheint die bloße 4-fache
Wiederholung des Fußabdruckes einem innovativen Kreativquartier nicht angemessen. Hier wären durchaus
unterschiedliche Bautypen in Reihung denkbar gewesen, die eine größere Nutzungsvarianz erlauben würden.
Das nördliche Quartier fällt zum südlichen deutlich ab. Hier nochmals den Baustein der südlichen Reihung,
nun aber für Wohnbauten aufzugreifen, kann nicht nachvollzogen werden. Auch wird das Nebeneinander von
konventionellen Wohnbauten und dem Büroturm als zu schwaches Element für zukunftsweisende kreative
Lebensformen erachtet, die eine Verbindungen von Wohnen und Arbeiten ermöglichen sollten. Hier werden
experimentellere Ansätze vermisst.
Die vorgeschlagene motorisierte Erschließung von Westen und Norden mündet sinnfälliger Weise zentral im
Quartiersparkhaus und ermöglicht autofreie Zonen in den beiden Baufeldern. Allerdings wird die starke Betonung
der querenden Badenovastraße als zu dominant erachtet, da sie die beiden Quartiere zu stark voneinander
abtrennt.
Die Weiterführung des Grünzuges von Süden entlang des Mühlbachs als Fuß- und Radwegeverbindung mit
Aufweitungen an den Schlachthofterrassen und an den Mühlhofterrassen wird begrüßt. Die Länge des umrahmen
den süd-östlichen Winkelgebäudes wird in diesem Zusammenhang jedoch kontrovers diskutiert, insbesondere
in Hinblick auf die Sichtverbindung von Mühlbach zu Schlachthofgebäude und seinen inneren Funktionen.
Die Nutzungsaufteilung im Inneren des Schlachthofgebäudes wird prinzipiell anerkannt. Die sowohl kleineren
als auch öffentlichen Nutzungseinheiten entsprechen den gewünschten Anforderungen. Das großzügige Foyer
sollte allerdings noch mit zusätzlichen, konkreten Ideen bespielt werden.
Insgesamt stellt die Arbeit besonders im südlich introvertierten Bereich einen guten Beitrag zur gestellten Aufgabe
dar, die allerdings das mögliche Innovationspotential des Ortes und der besonderen Aufgabenstellung
noch nicht vollständig ausschöpft hat.